Es gibt Tage die sonnig klar beginnen und verworren dunkel werden:
Ein Anruf genügt, ein Blick auf die Online-Seite um den Nachruf auf den Menschen, den Kollegen mit Bestürzung zu lesen, welcher vor wenigen Monaten noch täglich am Balken saß und quer durch den Raum Anweisungen zur Fertigstellung der Seiten rief, die Redakteure konzertierte. Der Kollege, welcher im Sommer mit einem Lächeln auf dem Flur gegenüber schritt und die eine oder andere Frage zum Online-Business stellte. Kurz: Wenige, intensive Eindrücke, viele Geschichten über jenen Kollegen.
Dann eine Diagnose, eine Zäsur, ein gezwungenes „Auf bald“ ohne Vorwarnung. Für Außenstehende seltsam. Surreal. Ich hörte fortan von seinen engen Freunden Statusmeldungen: „Es geht besser, die Methoden helfen; Rückschlag; neuer Anlauf…“ Eine passive Rolle, die des ungewollten Zuhörers wird einem aufgebürdet. Wollte ich mehr erfahren? Ja. Doch konnte ich nicht, saß ich doch wie ein Zuhörer im Strom der Nachricht nebst eigenen Aufgaben beschäftigt. Saß ich doch im Hotel Leben zusammen mit anderen Gästen in einer kleinen Piano-Bar, verdammt das „Auf-und-Ab“ des Pianisten bei Chopins „Tristesse“ zu hören, jedoch aufmerksam: Zu hören, wie es auf einen zurollt, ab und an verstimmt, wieder stärker wird, abklingt und leise im Hintergrund klimpert. Ein Rauschen, ein nahendes…
und dann der nächste Sprung auf dem Lebensklavier: tief, laut, nachwirkend. Menschen in meinem Umfeld wirken abwesend, bedrückt, tief bewegt. Herausgerissen. Ich komme mir hilflos vor. So gelähmt wie beim Tode eines mir tief nahestehendem Menschen in der Kindheit. Zweifelsohne kannte ich diesen inniger, aber verschwand sie im Angesicht der Krankheit ebenso schnell mit einem gezwungenen „Auf bald“, ohne Vorwarnung. Ich sah aus den Kinderaugen heraus wie die Lebenslust innerhalb weniger Monate in sich zusammenfiel, alles um diesen Menschen herum zerbrach und schliesslich sie sich selbst in die Auflösung ergab.
Ich sitze als Beobachter und sehe durch die Jungendaugen beim Tode der kleinen Menschen im Hospiz zu, die kurze doch heftigste Sprünge in ihrem Leben vollführten. Zurück blieben die Eltern, voll Erinnerungen, voller Schmerz, voller Erkenntnisse, ohne Groll und ich höre zu.
Zurück bleiben die Erinnerungen, der Schmerz, die Wellen des Sprungs. Voller Erkenntnisse und ohne Groll sollten wir sehen und zu hören. Rückt es doch unsere eigene Endlichkeit und unvorhergesehene Sprünge ins Gedächtnis.
So sollten wir doch das Leben nutzen, durch die Wege im Leben mit Freude rennen, an schönen Pfaden kurz verweilen, Hindernisse überspringen. Stolpern, fallen, anhalten. Schmerzen und Leid bedenken und gedenken, doch nicht rasten. Immer rennen, immer schneller und schneller, weiter und weiter, so dass der letzte oder überraschende Sprung weit und heftig werden mag.
So sollten wir doch die Sprinter und Springer ehren, egal ob es an der Zeit war, desto wichtiger wenn der Sprung ohne Vorankündigung geschah.
So sollten wir doch den Erinnerungen zuhören. Voller Schmerzen, voller Erkenntnisse und ohne Groll.
Danke, lieber Kollege.
Die Welle Deines Sprungs wird unvergessen bleiben.